Ein Gespräch zur Verlagsübergabe

Martin Garms (MG): Vor unserer ersten Begegnung vor vielen Jahren waren wir ja beide schon eine ganze Weile in der Astrologie unterwegs – wie bist Du eigentlich ursprünglich zur Astrologie gekommen?

Peter Neubäcker (PN): Ich glaube, dass ich nie wirklich »zur Astrologie gekommen« bin – ich habe eher immer mit der Astrologie gekämpft, deshalb war es auch kein sehr geradliniger Weg.
pn_horDer erste Kontakt, mit etwa 20 Jahren, war ein eher psychologisches Buch, in dem seelische Grundfunktionen anhand von astrologischen Symbolen beschrieben wurden. Es hat mich beeindruckt, dass es ein uraltes Symbolsystem gab, mit dem man die Elemente unseres Erlebens gewissermaßen in Rollen aufteilen und sinnvoll beschreiben konnte. Richtig konkret ist es mit der Astrologie dann erst einige Jahre später geworden. Ich hatte inzwischen beim Geigenbauer gelernt und war nach München gezogen, wo ich vom Bauen von Renaissance–Fideln und Lauten lebte. Das Handwerk liebte ich zwar sehr, aber meine eigentliche Leidenschaft war doch das Denken und die Suche nach Zusammenhängen. Deshalb machte ich eine Heilpraktiker–Ausbildung, weil ich sehr von der klassischen Homöopathie fasziniert war. Ich ahnte dort ein System, das den Zusammenhang der möglichen Zustände des Menschen mit der Natur untersucht und abbildet – und so wieder mit der Astrologie verwandt war. Ich bin dann natürlich auch auf das Buch von Döbereiner zu Astrologie und Homöopathie gestoßen. Bei diesem Buch hatte ich zum ersten Mal in astrologischem Zusammenhang das Gefühl, dass jemand wirklich weiß, wovon er spricht.

Ich habe dann ab 1982 Döbereiners Astrologieschule besucht. Das war eine sehr intensive Ausbildung – zwei Abende pro Woche über mehrere Jahre. Jeweils einer der Abende in der Woche war ein Technikkurs. Das würde ja heute niemand mehr wollen – die Meinung ist ja eher, dass die Berechnungen der Computer macht, und man mehr Technik nicht braucht. Aber was oft als »Technik« bezeichnet wird, ist ja eigentlich etwas ganz anderes: die Grundlage für das wirkliche Verständnis der Vorgänge am Himmel, die ja das sind, was man eigentlich deutet – für wie viele Astrologen ist das, was sie deuten, nur eine Zeichnung auf einem Blatt Papier! Für diesen Bereich hatte Döbereiners Schule einen sehr guten Dozenten, Herrn Dostal, von ihm habe ich auch sehr viel über Himmelsbewegungen und astrologische Techniken gelernt.
Gab es für Dich auf dem Weg in die Astrologie ein besonderes Erlebnis, das ihre Bedeutung für Dich illustriert?

mg_horMG: Am Anfang stand 1985 für mich ein Transit–Experiment, mit dem ich klären wollte, ob die Astrologie eine tiefere Auseinandersetzung wert sei: Ich verglich sehr sorgfältig mit einem (zum Schluss meterlangen) Zeitraster auf Karopapier 3 Jahre meiner Lebensereignisse aus Tagebuchaufzeichnungen mit den Qualitäten der parallelen Transit–Konstellationen lt. Lehrbuch. Das Ergebnis hat mich überzeugt.
Das intensive Astrologielernen der nächsten Jahre war oft wie das Wiederfinden eines wichtigen Puzzlestückes, das ich in allen naturwissenschaftlichen Welterklärungen immer vermisst hatte: das Denken in Ganzheiten, Symbolen und mehrdimensionalen Bezügen. Eine Symbolsprache als mögliches Bindeglied zwischen objektiver und subjektiver Realität!
Während meiner Astrologie–Lernjahre in Freiburg hatte ich ein Schlüsselerlebnis, als ich auf einer Wiese hoch über Freiburg im Gras liegend den abendlichen Himmel betrachtete und dort oben zunächst die Ekliptik und dann anhand des Mondstandes den Himmelsort von 9 Grad Waage identifizieren konnte, dem Punkt, an dem »meine Venus steht«. Die weite Sicht, der erhabene Anblick des Sternenhimmels und des Mondes, der sich fast fühlbar drehende Heimatplanet unter mir – all das verband sich mit den persönlichen Bildern und Erfahrungen aus der astrologischen Auseinandersetzung mit diesem Grad meines Horoskops. Mich ergriff einen tiefen Moment lang eine Ahnung, dass Innen und Außen vielleicht doch Teile eines Ganzen sein könnten, und dass es ein sehr lohnender und erfüllender Weg in einer Welt der Dualität sein könnte, nach dieser Einheit zu suchen.
Mein Fokus war mit Jupiter Konj. Neptun in Skorpion am IC immer stark die innere Welt, die Möglichkeit seelischen Wachstums durch Selbsterfahrung, das bewusste Beobachten und Reflektieren der Lebensprozesse.
Von dort kam auch die Motivation, einen Transitkalender herauszugeben: dem Suchenden ein Werkzeug an die Hand zu geben, um seine eigene innere Persönlichkeits–Dynamik praktisch zu erforschen. Es reizte mich, die ganze Komplexität des Zusammenklanges zwischen Kosmos und individueller Persönlichkeit über die astrologische Symbolsprache in eine einfache, intuitiv nutzbare Form zu bringen.
Peter, wie würdest Du Deine zentrale Motivation beschreiben, astrologische Arbeitsmittel zu entwickeln?

PN: Mir war es immer sehr wichtig, zu einem Verstehen nicht über Erlerntes zu kommen, sondern über die Vertiefung in die Erscheinungen selbst, im Fall der Astrologie also die typischen Bewegungen des Himmels und der Planeten zu erfassen, im Sinne einer Physiognomie dessen, was in Erscheinung tritt, und so ihre Bedeutung zu verstehen.
Um die Vorgänge für mich besser begreifbar zu machen, habe ich zwei- und dreidimensionale Modelle gebaut. Das erste war eine Armillarsphäre, ein dreidimensionales Himmelsmodell, mit dem man sich alle Himmelsbewegungen sehr schön veranschaulichen kann, wie das Zustandekommen der Häuser, der Tageswege der Planeten und alles, was damit zusammenhängt.
Da ich vom Instrumentenbau her meine Werkstatt hatte, habe ich bald auch die Armillarsphäre für andere Astrologen gebaut. Das war 1983 und der Anfang meines Verlages für Anschauliche Arbeitsmittel für die Astrologie.
Bei den weiteren Versuchen, den Zusammenhang von Häusern und Tierkreis zu verstehen, ist als Nächstes dann eine Drehscheibe herausgekommen, auf der man Datum und Uhrzeit einstellen und dann Tierkreis- und Häuserstellung ablesen kann. Ich entdeckte dann, dass diese Darstellung von ihrem Aufbau her das Gleiche war, was seit Jahrhunderten als »Astrolabium« in Gebrauch war. So nannte ich es »Taschen–Astrolabium« und ließ es drucken.
Aus dem Wunsch, auch die Bewegungen der Planeten in ihrer Dynamik anschaulich zu machen, ist später die Darstellung des »Graphischen Planeten-Kalenders« entstanden, der dann seit 1985 jedes Jahr erschienen ist. Am Anfang hatte ich dafür noch keinen Computer, und das Zeichnen der Druckvorlage war eine tagelange Arbeit: Meine Freundin diktierte mir die Planetenstände aus den Ephemeriden, die ich auf dem runden Raster markierte und dann mit Tusche die Linien nachzeichnete.
In diesen Anfangsjahren meines Verlages war ich sehr viel auf Astrologie-Tagungen und -Kongressen unterwegs. Ich hatte einen kleinen Stand mit meinen Arbeitsmitteln, anfangs oft im selben Raum wie die Vorträge, zum Beispiel bei den DAV–Tagungen. Dadurch bekam ich die Vorträge auch mit, und in den Pausen konnte ich den Teilnehmern meine Sachen vorführen.
Auf so einem Kongress haben wir uns ja dann auch kennengelernt, das muss der Astrologie-Kongress in Zürich 1987 gewesen sein…

MG: ...ja, dann kennen wir uns in diesem Jahr genau seit 20 Jahren!

PN: Ja, und es war noch ein anderer netter Umstand dabei: Ich gab damals regelmäßig Kurse im Gitarrenbau, meist in den Sommerferien auf Burg Rothenfels am Main. In dem Frühjahr war eine Anfrage gekommen, ob man denn auf diesem Kurs statt einer Gitarre auch eine Harfe bauen könne, was ich zugesagt hatte.
Auf dem Astrologie–Kongress in Zürich kam nun an meinem Stand ein netter Mensch vorbei, der erzählte, dass er auch Materialien für astrologische Arbeit mache, und ob er seinen Prospekt an meinem Stand auslegen dürfe. Und als ich dann den Namen Martin Garms auf dem Prospekt sehe – Du hattest wegen der Harfe angefragt! Manche sagen ja, die Welt ist klein, Astrologen drücken das noch anders aus…

MG: Ja, es war scheinbar die richtige Zeitqualität! Und eine gemeinsame Faszination für ihre Erforschung und Beobachtung anhand der Planetenbewegungen, die uns damals zusammengeführt hat. Ich mochte gleich Deine ruhige Art und die sorgfältige und tiefe Art der gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Kosmos, verbunden mit der handwerklichen Kreativität und Sorgfalt! Auch wenn Du mit der astrologischen Deutung immer wesentlich zurückhaltender und skeptischer warst als ich…

PN: Jedenfalls haben wir uns in diesem Sommer wieder getroffen, in der Instrumentenbauwerkstatt in Rothenfels, wo dann auch Deine Harfe entstand. Aber die andere Geschichte war, dass Du Deinen Computer mit dabei hattest – einen Atari damals. So bekam ich von Dir meine ersten Unterweisungen in der Basic–Programmierung – hoch oben im Turm einer mittelalterlichen Burg neben der Instrumentenbauwerkstatt, mit Blick über den Main.

MG: Das war richtig stilecht: eine Mittelalter–Zukunfts–Werkstatt sozusagen. Ich hatte wirklich Freude daran, Dir das neu entdeckte Universalwerkzeug Computer schmackhaft zu machen, nachdem ich tagsüber viel von Dir beim Harfenbau an der Hobelbank gelernt hatte. Ich liebe es, Neues zu lernen und dann weiterzugeben… Das muss mein starkes 3. Haus sein.

PN: Ich merkte bald, dass ich im Grunde sowieso sehr algorithmisch dachte und dass mit dem Programmieren meine Arbeit und mein Denken sehr gewinnen würden. So kaufte ich mir, zurück in München, auch gleich so einen Computer und fing an zu programmieren. Das war für meine weitere Arbeit sehr prägend. Bei Dir ging die Entwicklung von astrologischen Werkzeugen von Anfang an vom Programmieren aus, oder?

MG: Ja, ich hatte in den Jahren davor – zunächst nur für das Ausrechnen meiner eigenen Beratungshoroskope – mein erstes Astrologieprogramm Astrograf entwickelt und darauf aufbauend meinen individuell berechneten Transitkalender Wellenreiter. Er wurde 1987 zum ersten Produkt meines Sternwerkstatt–Verlages und damit meiner Selbstständigkeit. Die Begegnung mit Dir hat mir eine weitere, interessante Sichtweise des kosmischen Geschehens eröffnet – die musikalisch–harmonikale Betrachtung des Sonnensystems.
So geht etwa mein heutiges Verständnis vom Begriff »Resonanz«, zu dem ich seit 5 Jahren mit Dr. Gerhard Mayer eine Synastrie–Forschungsstudie durchführe, auch auf diese Anregungen zurück (#1).
Durch den gemeinsamen Harfen-, Monochord- und später Armilarsphärenbau und die vielen interessanten Anschauungs–Modelle in Deiner Werkstatt bekam die Parallele zwischen Musik und Astrologie neben den inspirierenden konzeptuellen Gesprächen auch eine sehr anschauliche und erfahrbare Komponente. In dieser Atmosphäre, bei mir noch angereichert durch Inspirationen aus dem Astrodrama oder einem Abend mit Cousto und seinen Planetenklängen, entwickelten sich unsere gemeinsamen Ideen und Forschungen zur Horoskopvertonung. Unser mehrtägiges Experimentier- und Programmierhappening, an dem wir fraktale Algorithmen, von Horoskop–Parametern gesteuert, am Rechner sichtbar und mit dem Sythesizer hörbar machten und endlose Konzepte und Programmfragmente entwickelten, wie die Sprache der Sterne in die der Musik übersetzt werden könnte – das war ein Highlight an gemeinsamer Kreativität für mich!

PN: Wir waren ja kurz davor, eine computergenerierte Vertonung individueller Horoskope anzubieten. Aber weil wir mit dem Ergebnis nicht wirklich zufrieden waren, haben wir das erstmal wieder fallen gelassen. Ich hatte ja damals auch einen Aufsatz dazu veröffentlicht – ich habe ihn erst kürzlich wieder entdeckt und im Netz zugänglich gemacht (#2). Die gedanklichen Verbindungen darin zwischen Musik und Astrologie finde ich auch heute noch richtig.

MG: Wir begriffen damals recht schnell, wie anspruchsvoll eine echte Übersetzung der Qualitäten sein müsste, wenn astrologische Symbolik durch Rhythmus, Melodie und Komposition erlebbar gemacht werden sollte. Wir suchten nach einem »Glasperlenspiel«, so wie es Hesse formuliert hat. Mein Weg führte dann ja mit dem Aufbau von Meridian und dem Projekt Astroschule in Berlin immer weiter in die Welt der Medienarbeit rund um die Astrologie und hinein in die Astrologie–Szene.

PN: Ja, und mein Weg führte mich tiefer in die Musik und Harmonik und eher fort von der Astrologie. Oder besser gesagt, habe ich schon immer die mathematischen und philosophischen Zusammenhänge gesucht – eine Zeit lang intensiver in der Astrologie, in den letzten Jahren wieder mehr in Musik und Harmonik, eben in dem Sinn des Glasperlenspiels, wie Du es erwähnt hast. Zu dem Thema habe ich ja lange den Arbeitskreis Harmonik hier in München geführt (#3).

MG: Wie denkst Du eigentlich heute über das Thema Horoskopvertonung, nachdem Du mit Deinem erfolgreichen Musiksoftware–Projekt Melodyne Deiner Frage, was Gestalt, Melodie und Klang eigentlich ist, um einiges näher gekommen bist?

PN: Zunächst einmal ist Melodyne (#4) ja ein Studio–Werkzeug, das in der Musikproduktion eingesetzt wird und das vordergründig mit unseren Themen gar nicht so viel zu tun zu haben scheint. Aber seine Entwicklung beruht eben doch auf allen Gedanken, die ich zu Musik, Mathematik und Harmonik jemals gedacht habe. Und da stecke ich noch tief drin und sehe vorläufig auch kein Ende. Die Idee der Horoskopvertonung liegt mir immer noch nahe, weil ja sowohl die Musik wie auch die Astrologie mit seelischen und mathematischen Gestalten umgeht. Ich habe das Gefühl, dass ich durch meine immer intensivere Beschäftigung damit automatisch auch den Grundlagen einer möglichen astrologischen Musik näher komme. Auch wenn das später wieder vielleicht einmal zusammenkommt, ist meine Vertiefung in diese Arbeit doch jetzt im Moment der Grund dafür, dass ich den spezifisch astrologischen Teil meiner Arbeit und meinen Verlag an Dich übergeben möchte.

MG: Es war für mich diesen Sommer eine große Freude und Überraschung, als Du mich fragtest, ob ich die Herausgabe Deiner astrologischen Arbeitsmittel in meinem Sternwerkstatt–Verlag fortsetzen möchte. Vor einigen Jahren übergab ich Dir ja meine verbliebenen treuen Wellenreiter–Kunden, weil ich, vollbeschäftigt mit Hausbau, meine Energien konzentrieren musste. Ich tat es mit einem guten Gefühl, weil ich Deinen Kalender mit seiner schönen Grafik und der durchdachten Benutzbarkeit als Terminplaner selbst schon seit Jahren benutzt hatte und Du ja schon längst auch eine täglich ablesbare, persönliche Transitausrechnung elegant integriert hattest.
Die Kreisdarstellung des Planetenlaufes im Monatskreis (seit ’92 auch Teil der Meridian–Zeitqualitäts–Rubrik) ist für mich unübertroffen in ihrer Klarheit und Ästhetik, praktisch benutzbar wie eine Ephemeride, aber so viel schöner und anschaulicher!

PN: Das ist doch sehr schön, da kommen Deine früheren Kunden auf diese Weise wieder zu Dir zurück…

MG: Ja, gern! Das Haus ist mittlerweile auch fertig, und ich habe wieder mehr Energie für die Arbeit in der astrologischen Szene zur Verfügung. Und ich mag die Kalender einfach, weil sie uns bei der Basistechnik astrologischer Prognosearbeit unterstützen: links die Ereignisse unseres Lebens, rechts in anschauliche Grafik übersetzt, die Melodie, die der Kosmos dazu spielt. Es wird mir eine Ehre und schöner Ausdruck unserer Freundschaft sein, dieses bewährte Produkt der astrologischen Gemeinschaft zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Wer weiss, vielleicht gibt es ja mal eine weitere Gelegenheit für uns, Musik und Astrologie spielerisch zu verbinden – auf jeden Fall sind beide Erscheinungsformen des »Großen Mysteriums Leben« es wert, ihnen einen Lebensweg zu widmen!

Anmerkungen:
# 1) Synastrie–Forschungsprojekt Resonanz,
# 2a) Artikel Himmelsmusik – Gedanken zur Horoskopvertonung (PDF)
# 2b) Interview zur Horoskopvertonung in Meridian 1992/3, S. 25.
# 3) Artikel Harmonik und Glasperlenspiel (PDF)
# 4) Beschreibung von Melodyne

Dieser Artikel erschien in der Meridian-Ausgabe 2007-6